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Filmkritik
Hat Wilhelm Tell tatsächlich gelebt? Oder ist er nur eine mythische Figur, die den Freiheitskampf der Schweizer gegen die habsburgische Besatzungsmacht personifiziert? Die Mehrzahl der Historiker ist inzwischen der Ansicht, dass es sich um eine Sagengestalt handelt. Seine außergewöhnliche Lebensgeschichte bietet aber genug Stoff für hochdramatische Bearbeitungen. Das hat schon Friedrich Schiller erkannt, als er 1804 sein gleichnamiges Schauspiel verfasste und mit dem spektakulären Apfelschuss und dem Rütli-Schwur versah. Sein Stück zählt zu den Klassikern der deutschen Literatur. Nach mindestens drei Verfilmungen präsentiert der britische Drehbuchautor und Regisseur Nick Hamm eine neue, recht kriegerische Interpretation.
Sein Heldenepos übernimmt über weite Strecken das Handlungsgerüst von Friedrich Schiller, erlaubt sich aber im letzten Drittel einige künstlerische Freiheiten, etwa im Finale, das die Möglichkeit eines Sequels eröffnet. Die wichtigste Änderung betrifft die Vorgeschichte des Protagonisten. Bei Hamm ist Tell ein Mann, der traumatisiert vom Kreuzzug im Heiligen Land zurückgekehrt ist und von Kämpfen und Blutbädern genug hat. In Jerusalem lernte er auch seine spätere, offenkundig muslimische Ehefrau Suna kennen und lieben, die von Golshifteh Farahani mit Verve verkörpert wird. Als sich Tell später doch an der Rebellion gegen die Habsburger beteiligt, stehen ihm erfahrene Kampfgenossen aus den Kreuzzügen zur Seite.
Der Apfel auf dem Kopf
Hamm fackelt nicht lange und startet den kriegerischen Historienfilm gleich mit der ikonischen Apfelschuss-Szene, ehe er in die Schweizer Vorgeschichte zurückblendet. Im Jahr 1307 lebt der Jäger Tell (Claes Bang) mit seiner Frau Suna und dem jugendlichen Sohn Walter (Tobias Jowett) auf einem Bauernhof oberhalb von Altdorf. Sie werden Zeuge, wie die Soldaten des einäugigen Königs Albrecht von Habsburg (Ben Kingsley) die Schweizer Kantone unterdrücken und plündern. Als der Steuereintreiber (Billy Postlethwaite) die Frau eines Bauern vergewaltigt und ermordet, tötet dieser den Täter aus Rache und bittet Tell um Hilfe. Obwohl der der Gewalt abgeschworen hat, sieht er sich gezwungen, mit Freunden und Verbündeten der österreichischen Fremdherrschaft entgegenzutreten.
Den Ausschlag gibt eine gemeine Aktion von Albrechts Statthalter Gessler (Connor Swindells). Der lässt in Altdorf einen Helm auf einen Pfahl stecken und ordnet an, dass jeder Passant das Kopfblech kniend grüßen müsse. Als Tell sich weigert, zwingt der Landvogt ihn, mit der Armbrust einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen.
Derweil sind die Adeligen zerstritten. Während der betagte Freiherr von Attinghausen (Jonathan Pryce) Verständnis für den Unmut der Schweizer hat, stellt sich sein Neffe Rudenz (Jonah Hauer-King) auf die Seite der Österreicher. Nicht zuletzt, weil Rudenz die habsburgische Prinzessin Bertha (Ellie Bamber) liebt, die dafür eintritt, dass die Besatzungsmacht keine Gewaltakte mehr verübt. Zu Rudenz’ Verdruss aber will der König Bertha ausgerechnet mit Gessler verheiraten.
Als Tell und Bertha nach dem Apfelschuss gefangengenommen werden, bricht der Aufstand der unterdrückten Schweizer los. Die Führer der Urkantone Uri, Unterwalden und Schwyz schließen sich zusammen und leisten am Vierwaldstätter See den berühmten Rütli-Schwur, der als Ursprung der Eidgenossenschaft gilt. Unter Tells Führung kämpfen die Schweizer in Sarnen und Altdorf gegen die Fremdherrschaft.
Frauen greifen zur Waffe
Für den englischsprachigen Film bietet Nick Hamm ein internationales Ensemble auf, an dessen Spitze der hünenhafte Däne Claes Bang steht. Er interpretiert Tell als wortkargen tapferen Familienvater im moralischen Zwiespalt, der mit altruistischem Impetus an Robin Hood erinnert, aber auch Reminiszenzen an den schottischen Freiheitskämpfer William Wallace weckt, wie ihn Mel Gibson in „Braveheart“ porträtierte.
Bemerkenswert ist die hohe Quote an ungewöhnlichen Frauenfiguren, die sich ansatzweise auch schon bei Schiller findet. So treibt die energische Gertrude (Emily Beecham) als eloquente Rädelsführerin die Männer zum Widerstand an. Bertha greift in höchster Not zum Messer, und die temperamentvolle Suna kämpft an Tells Seite für Familie und Freiheit. Die feministischen Akzente wirken allerdings ähnlich bemüht und konstruiert wie die zeitgeistigen Anklänge im Hintergrund.
Der Abenteuerfilm erhebt keinen Anspruch auf historische Genauigkeit. Er punktet mit hohen Schauwerten, häuft spannende Kampfszenen, Verfolgungsjagden und allerlei Actionsequenzen an, während die Kamera über imposante Landschaften, rustikale Burgen und idyllische Dörfer fliegt, oft untermalt von einer pathetischen Filmmusik. Für einen irritierenden Kontrast sorgen die von Schiller übernommene pathetische Sprache und die theatralischen Deklamationen, die so gar nicht zum brutalen Realismus der Kriegssequenzen passen wollen. Ärgerlich ist der Hang zur Schwarz-weiß-Zeichnung der Figuren: Während die Schweizer durchweg als integer erscheinen, werden die Österreicher ausnahmslos als Fieslinge charakterisiert.