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Filmkritik
Der betagte Schriftsteller Walter (Bill Murray) provoziert bei seinen Mitmenschen widersprüchliche Gefühle. Witzig, klug und charmant finden ihn seine Freunde, aber auch unehrlich und durchtrieben. Nachdem er sich überraschend das Leben nimmt, begegnen sich die Verflossenen des Schürzenjägers auf der Trauerfeier deshalb auch als Leidensgenossinnen. Wie viele Affären und Beziehungen Walter tatsächlich hatte, weiß keine von ihnen.
Die mit einer Schaffenskrise ringende Schriftstellerin Iris (Naomi Watts) ist deutlich weniger erfolgreich, als es Walter war. Er war ihr Mentor und kurzzeitig ihr Liebhaber. In der Hierarchie der Hinterbliebenen steht sie deshalb eigentlich ziemlich weit unten. Doch die Tragikomödie „Loyal Friend“ zeigt, dass Iris in Wahrheit etwas mit dem Verstorbenen geteilt hat, das viel wertvoller war als eine herkömmliche Liebesbeziehung: eine Freundschaft, die nicht zuletzt wegen ihrer ständigen Reibungen immer reifer und unverzichtbarer wurde.
Eine Deutsche Dogge namens Apollo
Zu Beginn von „Loyal Friend“ wirkt Iris zufrieden mit ihrem Alleinsein. Am Washington Square Park in New York lebt sie in einem Apartment, das in der Realität wohl unbezahlbar wäre, von Iris’ wohlhabenden Freunden aber wiederholt als beengend bezeichnet wird. Mit einem Wunsch des Verstorbenen nimmt die frei auf dem Roman „Der Freund“ von Sigrid Nunez basierende Geschichte Fahrt auf. Iris soll sich um Walters Deutsche Dogge Apollo kümmern, was jedoch zwei Probleme mit sich bringt. Denn weder mag Iris Hunde sonderlich, noch darf sie in ihrem Apartmentkomplex Tiere halten.
Bei dieser konfliktreichen Zwangsgemeinschaft auf unbestimmte Zeit zeichnet sich ab, dass der Verstorbene gewissermaßen in dem querköpfigen Vierbeiner weiterlebt. Zwischen dem mürrisch-schläfrigen Bill Murray und dem imposant gemütlichen Hund mit den traurigen Augen kann man tatsächlich einige Parallelen erkennen. Vor allem steckt die Gemeinsamkeit aber in Iris’ ambivalentem Verhältnis zu beiden. Die dominante Dogge vertreibt ihr neues Frauchen erstmal aus dem Bett, verwüstet in ihrer Abwesenheit ihre Wohnung und zeigt sich auch sonst wenig kooperativ. Wie zuvor der Mann, ist es nun der Hund, der ständig Ärger macht und sie dabei vergessen lässt, wie tief sie ihn bereits ins Herz geschlossen hat.
Gutes Timing für Posen
„Loyal Friend“ nutzt den Hund aber nicht nur als Platzhalter oder Metapher. Immer wieder begibt sich die Kamera auf Augenhöhe mit dem Vierbeiner und vermittelt, dass sich hinter dem Tier ein trauernder Weggefährte mit komplexem Charakter verbirgt. Mal zieht er sich nachdenklich zurück und schaut melancholisch aus dem Fenster oder sucht auch mal die körperliche Nähe zu Iris. Ungewöhnlich für einen Film dieser Größenordnung ist, dass Apollo wirklich nur von einem einzigen Hund verkörpert wird. Die Dogge Bing hat den passenden Charakterkopf sowie ein gutes, vom Schnitt unterstütztes Timing für Posen.
Ungewöhnlich an dem Film von Scott McGehee und David Siegel ist aber auch, dass er von einer alleinstehenden Frau mittleren Alters erzählt, in deren Leben die Sehnsucht nach einer romantischen Paarbeziehung keinerlei Rolle spielt. „Loyal Friend“ setzt dabei auf ein etwas loses dramaturgisches Gerüst. Iris muss ihre Schaffenskrise wie auch ihre Trauer verarbeiten und riskiert schließlich, durch den Hund aus ihrem Apartment geworfen zu werden.
Trotz solcher emotionaler Zwickmühlen nimmt sich „Loyal Friend“ immer wieder Zeit zum dialogreichen Abschweifen, das sich um zwischenmenschliche Beziehungen, Kreativität und Trauerbewältigung dreht. Naomi Watts entdeckt dabei in der Hauptrolle all die widerstreitenden Gefühle, die sie einst für Walter hatte und nun für Apollo empfindet. Bei einem imaginären Gespräch mit dem Verstorbenen oder einer Sitzung beim Psychotherapeuten versucht sie die richtigen Worte für ihren überfordernden Zustand aus Wut und Traurigkeit zu finden. Indem der Film immer wieder hartnäckig um dieselben Fragen kreist, fällt er differenzierter und unsentimentaler aus, als man es bei so einer Geschichte erwarten würde.
Was Menschen brauchen
„Loyal Friend“ verliert sich aber auch immer wieder in seinen erzählerischen Verästelungen. Der Umgang der Protagonistin mit den Teilnehmern ihres Schreibseminars oder die Szenen mit Walters Tochter (Sarah Pidgeon) sind für sich genommen zwar nicht verkehrt, führen aber nirgendwo hin. Während die mäandernde Handlung einen höheren Grad an Realismus erlaubt, lässt sie den Film andererseits auch ein wenig langatmig wirken. Gerade die komischen und traurigen Momente wirken gelegentlich von einem unnötigen Understatement gedrosselt. Die eigentliche Qualität von „Loyal Friend“ liegt in der Offenheit seines Titels, der sich auf keine konkrete Person bezieht, sondern den Schwerpunkt darauf legt, dass tiefe Freundschaften, so strapaziös sie auch sein mögen, für Menschen lebensnotwendig sind.