








- Veröffentlichung15.05.2025
- RegieGuy Maddin, Evan Johnson, Galen Johnson
- ProduktionDeutschland (2025)
- Dauer104 Minuten
- GenreKomödieHorrorfilm
- AltersfreigabeFSK 16
- IMDb Rating5.0/10 (4701) Stimmen
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Filmkritik
Von der Außenwelt bekommen die Politiker, die für einen G7-Gipfel auf einem fürstlichen Landgut in Dankerode eingetroffen sind, kaum etwas mit. Zwischen angespanntem Smalltalk und vertrauten Privatgesprächen dreht sich die Aufmerksamkeit der Staatsoberhäupter konsequent um sie selbst. Ihr Verhältnis zur nicht näher erklärten Krise, die hier bewältigt werden soll, ist dagegen distanziert und abstrakt. Zu keinem Zeitpunkt geht es in der von der Wirklichkeit scheinbar komplett entrückten Naturlandschaft des Anwesens darum, tatsächlich ein Problem zu lösen. Es müssen lediglich Phrasen gefunden werden, die auf die Bevölkerung eine beruhigende Wirkung ausüben.
Unheilvolle Synthesizer-Klänge
Mit einer verqueren Mischung aus Polit-Satire, Seifenoper und Horrorfilm erzählt „Tanz der Titanen“ vom Leben im Elfenbeinturm. Die Herrschenden sind ebenso komische wie tragische Figuren. Einerseits müssen sie sich stets versichern, wie wichtig sie sind, andererseits bleiben ihre Handlungen rein repräsentativ. Diese hoffnungslos von der Realität entfremdeten Figuren wirft der Film von Guy Maddin mit einer archaischen Bedrohung bald auf ihre Grundbedürfnisse zurück. Gruselige Synthesizer-Musik lässt Unheilvolles erahnen, und dann wird auch noch ein viele Jahrhunderte alter Leichnam im Garten gefunden. Nur wenig später werden die hilflosen Politiker mit einer übersinnlichen Ausnahmesituation konfrontiert. Es könnte sogar der Weltuntergang sein.
Der Kanadier Guy Maddin dreht seit den 1980er-Jahren stilistisch eigenwillige Filme, die sich häufig an den extravaganten Ausläufern der Kinogeschichte bedienen. Mal kommen Maddins Arbeiten im Gewand eines Stummfilms daher oder bedienen sich der Ästhetik eines kruden B-Movies. So war „The Green Fog“ eine abenteuerliche, von „Vertigo“ inspirierte Found-Footage-Collage aus verschiedensten Filmen, die in San Francisco gedreht wurden. Wie in diesem experimentellen Projekt bekommt Maddin auch bei „Tanz der Titanen“ Verstärkung von seinen Co-Regisseuren Evan und Galen Johnson. Die Liebe zur filmischen Mimikry, die kunstvolle Erhebung einer vermeintlichen Schundästhetik und das Faible für surrealistische Einfälle, das die Arbeit des Trios bisher auszeichnete, finden sich auch hier wieder.
Die Filmemacher schließen ihre Figuren in ein liebevoll artifizielles Gothic-Horror-Setting ein, mit buntem Nebel, ächzenden Moorleichen und einem riesigen menschlichen Gehirn, das in dieser seltsamen Parallelwelt eine geheimnisvolle Kraftquelle darstellt. Mit einem immer wieder spürbaren Augenzwinkern zeichnet der Film den Überlebenskampf der Staatsoberhäupter nach, die sich mitunter ziemlich dumm anstellen. Als Satire über abgehobene Politiker wirkt „Tanz der Titanen“ ein wenig uninspiriert und altbacken. Wenn sich die formell steifen, vom einfachen Leben entfremdeten Figuren regelmäßig um Kopf und Kragen reden, gerät das gelegentlich ein wenig öde.
Cate Blanchett & Angela Merkel
Es gelingt dem Film aber immer wieder, die Qualitäten einer gelungenen Boulevardkomödie zu erreichen. Dabei spielen ihm besonders die teils hochkarätigen Darsteller in die Hände. So erinnert Cate Blanchett als deutsche Bundeskanzlerin mit ihrem pfirsichfarbenen Sakko und der Bubikopf-Frisur entfernt an Angela Merkel und scheint (neben dem greisen US-Präsidenten von Charles Dance mit Reagan- und Biden-Anleihen) als einzige von einem realen Politiker-Vorbild inspiriert zu sein. Roy Dupuis spielt einen nahe am Wasser gebauten kanadischen Staatsmann, der sich zunächst ausgiebig im Weltschmerz suhlt, bevor er sich als wikingerhafter Held mit wehendem Haarschopf neu erfindet. Die einprägsamste Darbietung stammt aber von Denis Ménochet, der seinen französischen Präsidenten mit selbstmitleidiger Theatralik und Hang zum vollendeten Klamauk gibt.
„Tanz der Titanen“ profitiert davon, dass der Film sich bei seinen Figuren nicht nur für das naheliegendste Klischee interessiert, sondern auch für die Zweifel, die Traurigkeit und die Sehnsucht nach Liebe, die sich dahinter verbirgt. Konsequent uneinheitlich ist „Tanz der Titanen“, weil er in einer Szene das Lächerliche seine Charaktere betont, während er sich in der nächsten wieder mit melodramatischem Ernst ihren inneren Konflikten widmet. Dass dieser sprunghafte Wechsel nicht selten geschmeidig ausfällt, ist neben den Schauspielern auch dem Soundtrack von Kristian Eidnes Andersen zu verdanken. Während die Kunst der Nachahmung bei Maddin und den Johnson-Brüdern diesmal vergleichsweise zurückhaltend ausfällt, spielt Eidnes Andersen sich hemmungslos durch unterschiedlichste Epochen, Genres und Gefühlszustände. Mal setzt er verträumte Klaviermelodien wie von einer anderen Welt ein, schwenkt dann zu einem trashigen 1980er-Jahre-Liebesthema mit Saxophon oder reizt die Dramatik mit martialisch hämmernden Orgelakkorden aus.
Bürokratie beißt Fantasie
Im Unterschied zur Musik überzeugt der Film eher in einzelnen Szenen als durch sein etwas banales, unausgegorenes Gesamtkonzept. Man wird mit schönen psychedelischen Momenten belohnt, mit albern überzeichneten Genre-Referenzen oder komisch absurden Situationen wie einem SMS-Wechsel mit einer Künstlichen Intelligenz, aber zwischendurch gibt es auch viel Leerlauf. Vielleicht ist es einfach die nüchtern-bürokratische Welt der Politik, die sich nicht ganz in die fantastischen Bildwelten des Regie-Trios einfügen will.