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Filmkritik
Perfidia Beverly Hills: ein Name, der zugleich einschüchternd und glamourös klingt. Genau wie die Frau, die ihn trägt. In einem Wust aus Deck- und Realnamen ist Perfidia (Teyana Taylor) das Epizentrum einer Terrorgruppe in Los Angeles. Die linken Revolutionäre befreien inhaftierte mexikanische Migranten, überfallen Banken und sprengen kapitalistische Machtzentralen in die Luft. Die Frau mit dem länglich markanten Gesicht, das durch die kurzrasierten Haare besonders zur Geltung kommt, wird dabei von einer unerschöpflichen Wut angetrieben, die gelegentlich in raubtierartige erotische Gier umschlägt. Während eine von ihr platzierte Bombe hochgeht, drängt sie ihren verdatterten Freund Bob (Leonardo DiCaprio) ein paar Meter weiter zum Sex. Und ihren Widersacher, den erzkonservativen Oberst Steven J. Lockjaw (Sean Penn), demütigt sie genüsslich mit ihrer Waffe, was diesen sichtbar erregt.
Nicht mit der Gegenwart zu verwechseln
Mit atemlosem Tempo wirft Regisseur Paul Thomas Anderson in eine von gesellschaftlichen und politischen Spannungen zerrissene Gesellschaft. Zumindest wenn es nach Bobs Geburtsdatum geht, beginnt „One Battle After Another“ in den frühen 2000er-Jahren. Zeittafeln bleiben jedoch aus, und der Look des Films scheint manchmal bewusst verwirrend zu sein. Autos aus den 1980er-Jahren kreuzen im Straßenverkehr den Weg neuerer Modelle, die es zur Zeit der Geschichte eigentlich noch gar nicht gab. Auch wenn die Handlung nach einer Weile in die Gegenwart springt, weist wenig auf die Jetztzeit hin. Umso mehr sieht man dafür aus der Zeit gefallene Interieurs und Werbeanzeigen. Paul Thomas Anderson schafft einen betont eigenen Erzählkosmos, der der Wirklichkeit zwar stark ähnelt, aber nicht mit ihr verwechselt werden sollte.
Der Sex zwischen Perfidia und Bob führt schließlich zu einer Schwangerschaft, womit die Probleme beginnen. Die werdende Mutter hält auch weiterhin nichts davon, ihr wildes Naturell zu zügeln. Mit freigelegtem Babybauch entleert sie schreiend das Magazin ihres Maschinengewehrs. Wenig später wird sie geschnappt, verrät ihre Truppe und verschwindet so abrupt wie überraschend aus dem Film. Nach einem Zeitsprung begegnet man ihrer mittlerweile 16-jährigen Tochter Willa (Chase Infiniti), die mit ihrem paranoiden und zumeist bekifften Vater Bob im Verborgenen lebt. Das Mädchen, das man bezeichnenderweise als erstes beim Karate-Unterricht sieht, ist zäh, willensstark und dickköpfig. Als Oberst Lockjaw ihren Wohnort ausfindig macht, gerät sie als Flüchtige endgültig in die Rolle ihrer Mutter, auch wenn sie diese nie derart kraftvoll wie Perfidia auszufüllen weiß.
Leonardo DiCaprio & Sean Penn
Anderson interessiert sich in dem lose auf dem Thomas-Pynchon-Roman „Vineland“ basierenden Film ohnehin vorwiegend für die beiden Männer, die Perfidia einst hörig waren. Die von Leonardo DiCaprio und Sean Penn mit maximalem Ausdruck verkörperten Gegenspieler sind sich in ihrem Scheitern und ihren Widersprüchen letztlich gar nicht so unähnlich. Bob ist ein Alt-Revoluzzer im speckigen Bademantel, der sich abends im Fernsehen den antikolonialen Klassiker „Schlacht um Algier“ ansieht und die Mitschüler seiner Tochter mit zwanghaftem Misstrauen einschüchtert. Der Witz von „One Battle After Another“ besteht gerade darin, dass er plötzlich wieder in den Untergrund abtauchen muss, aber sichtlich nicht mehr in Übung ist. Das zeigt sich unter anderem an seinen hilflosen Versuchen, sich an die verschlüsselte Geheimsprache von damals zu erinnern.
Der eigentliche Star des Films aber ist Sean Penn, der die freudelose Figur des Obersts mit steifem Gang und nervösen Gesichtszuckungen oft am Rand zur Karikatur verkörpert, ihr aber auch eine tragische Dimension verleiht, die sie verletzlich und nahbar wirken lässt. Lockjaw ist ein ruchloser und bösartiger Mann, der sich im Grunde aber nur nach der Anerkennung anderer sehnt. Vor allem will er in einen ebenso verschwiegenen wie elitären Kreis von Rechtsaußen-Unternehmern aufgenommen werden, die das Land reinhalten wollen, was bedeutet: weiß und reaktionär. Wie ein verunsicherter kleiner Junge kämmt sich Lockjaw vor dem Treffen noch schnell seinen grobschlächtig geschnittenen Pony ins Gesicht. Am Ende tut einem dieses arme Würstchen fast leid.
Die Welt gleicht einem Pulverfass
„One Battle After Another“ handelt von einer Gesellschaft als Pulverfass, von dogmatischen Ideologien und vom Fluch der Vergangenheit. Beachtlich ist dabei in erster Linie, wie spektakulär Anderson das teilweise in Szene setzt. Sein Geschick besteht darin, die Handlung in einen urbanen und kleinteilig pulsierenden Kosmos einzubetten, der größer und vielstimmiger ist als die Geschichte, die er erzählt. Besonders in einer längeren Szene, in der Bob mithilfe des Karatelehrers Sensei Sergio (Benicio Del Toro) untertauchen will, während in der Stadt Panik ausbricht, zeigt sich eindrücklich, wie souverän die Inszenierung das Chaos zu orchestrieren versteht. Selbst wenn der Film den Bogen in solchen Szenen manchmal etwas überspannt.
Der Filmkomponist Jonny Greenwood strapaziert mit dröhnend-dramatischen Orchester-Akkorden bisweilen zwar auch etwas arg das Trommelfell, nutzt für diese Sequenz jedoch eine brüchige, wie improvisiert wirkende Musik aus schrägen, stolpernden Klaviertönen, die dem hektischen Treiben zusätzlich Druck verleiht. Ähnlich einprägsam bleibt auch eine minimalistische, sehr entschleunigte Verfolgungsjagd in der Wüste, die als Versteckspiel inszeniert ist. Meist aber braucht der Film solche Sensationen gar nicht, da es genügt, wenn die epischen Bilder von Kameramann Michael Bauman durch das magische Licht der kalifornischen Abendsonne zum Glühen gebracht werden.