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Filmplakat von Nonkonform

Nonkonform

116 min | Biografie | FSK 12
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Wer ist der Herr mit der polierten Glatze und dem markanten Bärtchen unter der Nase? Preußischer Zuchtmeister oder Hitlerparodist? Einer der maßgeblichen Staatsanwälte der jungen Bundesrepublik? Oder einer der schrägsten Nebendarsteller des deutschen Kinos? Die Antwortet lautet: ja! Dietrich Kuhlbrodt, 1932 geboren, ist Pensionär im idyllischen Treppenviertel von Blankenese. Er ist hellwach, streitbar, manchmal versonnen, durchweg witzig. Brigitte, mit der er 50 Jahre zusammen war, ist leider schon gegangen. Aber was heißt das schon! Ihr Zimmer ist, wie es war, ihr Geist schwebt noch herum. Auch Dietrichs liebstes Plüschtier Wauwi war nie weg, ist immer dabei. Ein paradoxes, schillerndes Leben in einem funkelnden Dokumentarfilm! Eine riesige Wundertüte voll seltener Filmausschnitte – und mit dem jazzig-flockigen Soundtrack von Helge Schneider.
Dietrich Kuhlbrodt – Staatsanwalt, Schauspieler, Kultfigur. Vom Verfolger der Täter des „Dritten Reichs“ bis hin zum schillernden Darsteller in Lars von Trier- und Schlingensief-Filmen führt er uns durch die Nachkriegsgeschichte Deutschlands voller Widersprüche, Humor und Unbeugsamkeit. Ein Porträt eines Lebens zwischen Ernst und Absurdität, begleitet von seltenen Filmausschnitten und Helge Schneiders jazzig-flockigem Soundtrack.

Vorstellungen

Abaton Kino Hamburg
Abaton Kino Hamburg
Allende-Platz 3
20146 Hamburg
Klick Kino Berlin
Klick Kino Berlin
Windscheidstr 19
10627 Berlin
Fabrikkino
Sandberg 3 A
17235 Neustrelitz

Filmkritik

Wenn Dietrich Kuhlbrodt spricht, geht es häufig um ernste Themen. Der 1932 geborene Oberstaatsanwalt, Filmkritiker und Schauspieler hat in seinem langen, bewegten und oft unangepasstem Leben auch viel mitgemacht. Er war Hitlerjunge, verbrachte seine Jugend im zerbombten Nachkriegsdeutschland, zog als Erwachsener NS-Verbrecher zur Verantwortung und verlor seine Frau, die Künstlerin Brigitte Kausch, an eine schwere Krankheit.

Was Kuhlbrodt als Gesprächspartner auszeichnet, ist der Umstand, dass er diese Ernsthaftigkeit nie besonders lange durchhalten kann. Dann verdreht er plötzlich die Augen oder wiederholt die kleingeistigen Vorwürfe deutscher Spießbürger mit übertriebenem Pathos, bis er sich selbst das Grinsen nicht mehr verkneifen kann. Kuhlbrodts unverblümte Ehrlichkeit, sein trockener Humor und die Weigerung, weder andere noch sich selbst wichtig zu nehmen, bewahren ihn davor, zu jammern oder sentimental zu werden. Beispielsweise wenn er davon erzählt, wie er als kleiner Junge in einem Hamburger Bombenkeller lebte und darauf hoffte, dass die Familienwohnung durch die Angriffe komplett zerstört würde. Und das nur deshalb, weil ihn dann seine wegen ihrer großen Brüste beliebte Lehrerin tröstend in den Arm genommen hätte.

Ein einziger Bewusstseinsstrom

Der Regisseur Arne Körner widmet sich Kuhlbrodts Leben auf chronologische Weise. Dass der Dokumentarfilm „Nonkonform“ trotzdem nicht in starre Konventionen verfällt, hat damit zu tun, dass der Filmemacher ihn größtenteils in die Hände seines Protagonisten legt. Die meiste Zeit redet Kuhlbrodt selbst: episodisch, anekdotenreich, manchmal sprunghaft und immer energiegeladen. „Nonkonform“ funktioniert gewissermaßen wie ein einziger Bewusstseinsstrom. Mit dem lebhaft fabulierenden Kuhlbrodt wird es einem nicht so schnell langweilig. Und wenn er einmal keine Geschichten parat hat, verspeist er vor laufender Kamera eben ein Weinglas.

Ein Leitmotiv des Films ist der Zufall. Immer wieder berichtet Kuhlbrodt, wie ihn jemand fragte, ob er nicht mal etwas ausprobieren wolle. So kam es unter anderem dazu, dass er Texte für die legendäre Zeitschrift „Filmkritik“ verfasste, ein Drehbuch für Werner Schroeter schrieb oder eine Rolle in einem Film von Christoph Schlingensief übernahm. So konsequent persönlich die Perspektive des Films auch ist, skizziert „Nonkonform“ dabei doch auch eine Kultur- und Politikgeschichte Westdeutschlands.

Dem Wortschwall seines Protagonisten setzt die Inszenierung eine nicht minder reichhaltige Bilderflut entgegen. Stummfilmartige Aufnahmen, in denen Kuhlbrodt vor der Kamera grimassiert, wechseln sich mit Archivmaterial sowie alten Super-8-Aufnahmen aus dem Familienurlaub ab. Ideal ergänzt wird die freie Form des Films durch den Jazz-Soundtrack von Helge Schneider, der ebenso spontan, leichtfüßig und bisweilen auch melancholisch ist wie der Protagonist des Films.

Mit dem Schalk im Nacken

Bemerkenswert ist Kuhlbrodt, weil er das Respektable mit dem Anarchischen mischt. Mit Stirnglatze und Schnauzer wirkt er nur auf den ersten Blick unauffällig normal. Man sieht seinem ausdrucksstarken Gesicht aber schnell an, dass ihm der Schalk im Nacken sitzt. Genießerisch und auch ein bisschen stolz berichtet er, wie er daran scheiterte, sich in der Öffentlichkeit seinem Beruf als Oberstaatsanwalt gegenüber angemessen zu verhalten. Mal ist es ein Konzert bei den damals noch verruchten Rolling Stones, das ihn in die Bredouille bringt, später dann Schlingensiefs Wende-Parodie „Das deutsche Kettensägenmassaker“, in dem er als westdeutscher Metzger eine kreischende DDR-Bürgerin zu Wurstfleisch verarbeitet.

In „Nonkonform“ sind diese vermeintlichen Gegensätze Teil ein und derselben Geisteshaltung. Man merkt Kuhlbrodt an, dass Empathie und Gerechtigkeitssinn bei ihm stark ausgeprägt sind, ohne dass er damit kokettieren würde. Egal, ob er es sich mit der Ludwigsburger Bevölkerung verscherzt, weil er unbehelligte Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zieht, oder ob er in der Unterhose auf den Brettern der Berliner Volksbühne herumrobbt: beides ist gleichermaßen Aufstand gegen ein miefig-selbstgenügsames Land, das seinen moralischen Kompass verloren hat.

Nicht vergessen werden darf dabei der Spaß, den er bei all dem zu haben scheint. Kuhlbrodts experimentierfreudiges Leben wirkt wie eine einzige Improvisation. Daraus kann man durchaus die Einsicht gewinnen, dass einem schnell Aufregendes widerfährt, solange man nur offen genug dafür ist. Wenn man sich den vitalen Protagonisten von „Nonkonform“ mit seinen 92 Jahren ansieht, ist das möglicherweise nicht die schlechteste Überlebensstrategie.

Erschienen auf filmdienst.deNonkonformVon: Michael Kienzl (25.3.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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