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Jakobs Ross

104 min | Drama
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Die junge Magd Elsie möchte im 19. Jahrhundert eine Karriere als Musikerin machen.

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Filmkritik

Eine junge Frau schrubbt in einer Villa auf Knien einen Holzboden. Man schreibt Mitte des 19. Jahrhunderts, das Zimmer ist weiträumig und hoch. Sonne fällt durch die Fenster. Elsie (Luna Wedler) wähnt sich allein und stimmt leise eine Melodie an. Ihre Stimme gewinnt an Kraft und füllt den Raum.

„Jakobs Ross“ ist ein Film, der in Bann schlägt und zugleich ein abschreckendes Schaudern auslöst. Ein klanglich betörendes, inhaltlich schicksalhaft-tragisches und in der Inszenierung herb realistisches Werk, dessen Klänge, Tanzweisen und Lieder die Gemütszustände der Protagonisten spiegeln und als in die Handlung eingebaute Strukturelemente die Story miterzählen.

Oben und unten

„Jakobs Ross“ ist dennoch kein Musical. Viel mehr verdankt sich seine tonale Konzentration dem Umstand seiner historischen Verortung in einer Zeit, in der die Verbreitung von Musik via Tonträger, Funk- oder Kabelübertragung noch kaum verbreitet war. Menschen, die Musik hören wollten, mussten selbst musizieren. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Silvia Tschui erzählt vom Schicksal einer lebenslustigen jungen Frau aus der Unterschicht, die mit einer voluminösen Stimme gesegnet ist und keinen anderen Wunsch kennt, als singen zu dürfen.

Doch im Haus von Fabrikdirektor Burgener (Luc Feit), bei dem Elsie als Magd im Dienst steht, ist Singen während der Arbeit verboten. Dieser Ansicht ist zumindest die Haushälterin, die zu Beginn des Films von Katalin Gödrös Elsie schroff zurechtweist. Damit ist eingangs bereits das Gefälle zwischen oben und unten, zwischen denjenigen, die das Sagen haben, und denjenigen, die besser schweigen, den Freien und denen, die vom Freisein träumen, eindeutig geklärt.

Burgeners erwachsene Tochter Sophie (Eugénie Anselin) ist darüber allerdings ganz anderer Ansicht. Sie studiert Musik, verbringt vor Semesterbeginn aber einige Tage zuhause. Sie hat von Elsies Talent gehört und bittet die Magd, ihr vorzusingen. Begeistert von ihrem musikalischen Talent, lässt sie Elsie bei einem Hauskonzert auftreten. Elsie, die zuvor noch nie vor Publikum gesungen hat, ist wie elektrisiert. Sophie verspricht ihr, sie im nächsten Jahr nach Florenz an die Musikakademie mitzunehmen, damit sie beide in Zukunft gemeinsam musizieren können. Ihr Vater, glaubt Sophie, werde Elsies Studium mitfinanzieren. Doch Burgener ist kein gütiger Mäzen, sondern ein knallharter Geschäftsmann. Obwohl Gödrös das Geschehen mehr andeutet, als direkt zeigt, sind es bedrückende Szenen, die nach Sophies Abreise darauf hinweisen, welchen Preis Elsie für das in Aussicht gestellte Stipendium zu bezahlen hat.

Der Duft der weiten Welt

Hier kommen der titelgebende Jakob und das Pferd ins Spiel. Als Burgener herausfindet, dass Elsie in anderen Umständen ist, wirft er sie nicht etwa auf die Straße, sondern zwingt sie in die Ehe mit dem Pferdeknecht Jakob (Valentin Postlmayr). Er überlässt dem jungen Paar auf Lebzeiten pachtfrei ein kleines Gehöft in einem abgelegenen Tal. Zu der ebenfalls von Burgener gestellten Aussteuer gehören nebst Wagen und trächtiger Kuh auch eine Handorgel, die Sophie Elsie geschenkt hat. Unterwegs zu ihrem neuen Zuhause, gehen Elsie und Jakob einen Deal ein. Elsie darf ihre Ziehharmonika behalten und weiterhin singen, und gemeinsam sparen sie auf ein Pferd, damit sich Jakob als Fuhrmann selbständig machen kann.

Zunächst schlagen sich Elsie und Jakob leidlich. Sie richten sich auf ihrem winzigen Hof in ihrem bäurischen Alltag ein und kommen sich allmählich auch näher. Sie zeigen sich im Dorf, besuchen gemeinsam die Messe, und eine Kräuterfrau kümmert sich um Elsies Frauenanliegen. Nach einigen Monaten nehmen Elsie und Jakob einen verwaisten Jugendlichen als helfende Kraft in den Haushalt auf, um effizienter wirtschaften zu können. Doch dann tauchen Fahrende im Tal auf. Sie bringen den Duft der weiten Welt mit sich, bieten Handwerksdienste an, spielen zum Tanz auf. Elsie blüht auf und verfällt Hals über Kopf dem Charme des munter Handorgel spielenden Rico (Max Hubacher).

Elsie singt. Nicht nur beim Putzen und in der Kirche, wo ihr der Pfarrer nahelegt, dass sie sich etwas zurückhalten soll, sondern auch beim Melken, allein auf einem Hügel fern vom Hof, mit dem sie auf der Ziehharmonika begleitenden Rico auf einer Bergwiese. Luna Wedler spielt Elsie sehr intensiv, präsent und körperlich. Die Schauspielerin hat für „Jakobs Ross“ Gesangsstunden genommen und jodeln gelernt. Ihre Stimme ist stark, hat ein intensives Timbre und geht unter die Haut. Nur bei einigen schwierigen Liedern, für die es jahreslange Gesangserfahrung braucht, hat die Musikerin Martina Linn der Elsie ihre Stimme geliehen.

Rico wird von Max Hubacher gespielt, der schon seit Jahren Handorgel spielen kann, seit er den Verdingbuben im gleichnamigen Film von Markus Imboden mimte, der sich mit einer Handorgel aus seinem Knechtselend in die Welt hinaus träumte. Die Rolle des Fahrenden, der Elsie nach dem ersten Kennenlernen verspricht, übers Jahr wieder ins Tal zu kommen und sie dann auf seine Reisen mitzunehmen, scheint unmittelbar an die Geschichte des Verdingbuben anzuschließen.

Realitätsnahes Bild vom Schweizer Alltag

Das Schicksal aber hat anderes mit Elsie, Rico, Jakob und seinem Pferd vor. Die Autorin Silvia Tschui hat diese Geschichte über die Härte des Lebens und die Kraft der Musik in ihrem Roman unbeschönigt herb beschrieben, in einer wunderschön eigenwilligen, von ihr selbst erfundenen, ans Schweizerdeutsche anlehnenden Sprache. Gödrös macht daraus etwas Eigenes. Ihr Film ist weniger blutig und weniger herb als der Roman, dafür diskreter in der Darstellung von Ereignissen, bei denen Mensch und Tier Leid geschieht und/oder Ungerechtes und Brutales widerfährt.

Elsie ist das Herzstück dieses Films. Sie gibt in dieser von Alltagsrealität geprägten Erzählung, die unter anderem auch von sozialen Aufstiegsträumen und den Versuchen weiblicher Emanzipation handelt, den Takt vor. Der von Valentin Postlmayr gespielte Jakob wird ihr zum Schicksalsgefährten und zeigt sich bei aller Virilität, die er ausstrahlt, und seinen zwischendurch heftigen emotionalen Ausbrüchen Elsie gegenüber auch von unerwartet fürsorglicher Seite.

„Jakobs Ross“ wurde im Bergell und im Val Bevona gedreht. Gödrös entwirft darin ein realitätsnahes Bild von Alltag und Brauchtum in der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Die Kostüme sind historisch akkurat und zeugen von großer Sorgfalt; die Kamera von Sebastian Edschmid bettet die Handlung geschickt in die trutzige Berg- und Waldlandschaft ein. Der herbe Film mutet in der Darstellung heftiger und blutiger Auseinandersetzung einiges zu. Zugleich aber ist „Jakobs Ross“ auch ein ungemein berührender Film, der immer wieder zärtliche Momente findet. Vor allem aber ist es eine Liebeserklärung an die Hoffnung und an die Kraft der Musik, die im Leben nicht immer alles leichter macht – aber doch vieles.

Veröffentlicht auf filmdienst.deJakobs RossVon: Irene Genhart (12.6.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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