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Filmplakat von Der Wald in mir

Der Wald in mir

90 min | Drama | FSK 12
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Szene %1 aus %Der Wald in mir
Als der schüchterne Student Jan die Tierschutz-Aktivistin Alice kennenlernt, schließt ihm dies eine ganz neue Welt auf: Die neu entdeckte Vielfalt der Natur und die intensiven Gefühle lassen den jungen Mann aufblühen. Aber die fiebrige Amour fou mit ihren animalischen Elementen bringt auch seinen Realitätssinn ins Wanken.
Über zehn Jahre nach seinem vielbeachteten Debüt ENDZEIT erschafft Künstler und Filmemacher Sebastian Fritzsch erneut ein bildgewaltiges und wirkmächtiges Psychodrama.

Vorstellungen

Monopol Kino München
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Filmkritik

Eine Maus soll seziert werden. Nadeln müssten dabei die winzigen Beine fixieren, die in der Nahaufnahme in aller Schönheit zu erkennen sind. Das Skalpell würde dann die Bauchdecke öffnen, wobei die Student:innen aufpassen sollen, dass sie dabei den Darm nicht verletzen. Jan (Leonard Scheicher) ist schon der erste Schritt zu viel. Zitternd ringt er mit sich und hält die tote Maus in der Hand. Alice (Lia von Blarer) erlöst ihn und nagelt das Tier fest. Doch Jan schafft es nicht, sie zu sezieren.

Später erfährt man: Es wird eng für Jan. Seine Abschlussarbeit ist in Verzug, die Sezierprüfung hat er wieder nicht bestanden. Das Studium steht auf der Kippe. Jans Kopf aber ist woanders. Die Mäuse, die seziert werden, nimmt er lieber mit nach draußen. Als er sie freilässt, ist Alice wieder da. Die Maus habe seit unzähligen Generationen kein Grün gesehen, wirft sie ein. Jan aber glaubt, dass sie das Überleben eben jetzt lernen muss.

Ein Bad im kalten Fluss

Doch kann man ein Tier auswildern, das die Wildnis nicht kennt? Es ist die zentrale Frage dieses Films. Die Maus will damit nichts zu tun haben und ist im Gebüsch verschwunden, bevor der Wissenschaftsnachwuchs ein Urteil fällen kann. Das „Tier“, um das es geht, ist nicht sie. Es ist Jan. Er hat nicht nur dutzende Tiere aus dem Labor des biologischen Instituts freigelassen. Auch sich selbst hat er bereits ein Stück weit ausgewildert. Seine zweite Heimat ist eine Hütte im Wald. Von hier aus unternimmt er Ausflüge. Er erkundet den nahen Fuchsbau, lauscht den Welpen und badet im kalten Fluss.

Die Natur ist nicht allein Freiheits- und Sehnsuchtsort; es ist eine neue Welt der Sinneswahrnehmung, in die Jan eintaucht. Bald mit Alice an seiner Seite. Scheu nähern sie sich an, bis sie, sich buchstäblich anknabbernd, die animalische Libido entdecken, Sex im Laub haben und fortan die eigene und die tatsächliche Wildnis erleben.

Der jungen Liebe und überhaupt der Idee, jung, wild und frei zu sein, kommt jedoch bald die Realität in die Quere. Den Umweltaktivisten, zu denen Alice gehört, sitzt die Justiz im Nacken. Erste Mitglieder der Gruppe verlassen die Gemeinschaft in Richtung eigener Karriere. Der ohnehin fragile Jan reagiert erschüttert, als ihm die Behörden eine Ordnungsstrafe per Post schicken. Der Unistress kommt noch obendrauf. Es dauert nicht lange, bis Jans Idee der Emanzipation in der Wildnis vom düsteren Echo seiner belasteten Psyche überlagert wird. Als das Paar einmal aus dem Wald in Jans Apartment zurückkehrt, hat er Probleme, die Tür zu öffnen. „Wohnst du hier oder nicht?“, fragt Alice scherzhaft. Diese Frage ist schon bald nicht mehr so leicht zu beantworten.

Der Versuch einer Auswilderung

Leonard Scheicher nähert sich der pathologischen Seite der Verwilderung mit dem gesamten Körper an. Seine Ticks tragen den inneren Tumult der Figur nach außen. Die spielerische Annäherung an die Natur wird zwanghaft. Jan klettert nachts auf Bäume, drückt seine Nase an die Kiefernadeln und sein ganzes Gesicht in den moosigen Waldboden. Er imitiert den Uhu, der neben ihm auf einem Ast Platz nimmt und überlässt sich so sehr der Wildnis, dass diese bald kein Außen-, sondern sein Innenleben repräsentiert und ihm als solches in den Alltag folgt.

Die Alltagswelt, in die er tagsüber zurückkehrt, klingt plötzlich anders. Der Wald hallt im eigenen Abflussloch nach, Alices Stimme klingt mal wie der Ruf der Eule, mal wie ein Babyschrei, und fremde Stimmen flüstern mit unerträglicher Lautstärke in Jans Ohr. Sie lästern, verurteilen und wollen ihn in der geschlossenen Klinik sehen.

„Der Wald in mir“ ist nicht allein ein Psychogramm, auch wenn Jans Weg tatsächlich bald in die Psychiatrie führt. Sondern auch ein Film über die Unmöglichkeit einer Verwilderung. Es gibt für Jan nicht nur keine Freiheit in der Natur, die seine gesellschaftliche Existenz nicht gefährden würde; auch für Alice und die Umweltbewegung, der sie anhängt, gibt es kein Vorankommen, das die eigene Freiheit nicht in Frage stellt. Jan flüchtet sich, als er in der Psychiatrie unter Druck gerät, in die Arme einer Zimmerpflanze. Er hält sie nicht nur schützend vor sich, sondern scheint für einen Moment in ihr selbst Zuflucht zu suchen.

Die Natur taugt nicht als Lebensmodell

Für die Unmöglichkeit dieser Zuflucht findet der Film fantastische Bilder. Doch dort, wo die Liebe in den Hintergrund und die Psychose in den Vordergrund tritt, büßt er viel von der Vitalität ein, die vorwiegend zwischen Lia von Blarer und Leonard Scheicher entsteht. Eine wirkliche Zuflucht gibt es für das von ihnen gespielte Paar ohnehin nicht, zumindest nicht innerhalb der vom Film gezeichneten Soziosphäre. Natur ist ein wenig Urlaub, ein bisschen frische Luft. Als Lebensmodell aber taugt sie schon seit Generationen nicht mehr.

Erschienen auf filmdienst.deDer Wald in mirVon: Karsten Munt (20.12.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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