









- Veröffentlichung09.10.2025
- RegieCornelia Grünberg
- ProduktionDeutschland (2025)
- Dauer121 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- AltersfreigabeFSK 12
Vorstellungen










Filmkritik
Mit „Achtundzwanzig – Der Weg entsteht im Gehen“ vollendet die Regisseurin Cornelia Grünberg ihre Langzeitbeobachtung, die sie 2012 mit „Vierzehn – Erwachsenwerden in neun Monaten“ begonnen und 2014 mit „Achtzehn – Wagnis Leben“ fortgesetzt hatte. Die Trilogie erzählt von Laura, Lisa, Fabienne und Stephanie, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie mit 14 ungewollt schwanger wurden und sich entschlossen, die Kinder zur Welt zu bringen. Gegen alle Widerstände und/oder mit der Unterstützung ihrer Familien und des sozialen Umfelds. Ein geplanter Teil mit dem Titel „Zehn“, bei dem sich der Fokus von den jungen Müttern weg auf die Kinder verschieben sollte, blieb unrealisiert. Dafür kommen in „Achtundzwanzig“ jetzt einige der Kinder zu Wort.
Damit gerät schon ein prinzipielles Manko von Grünbergs Langzeitbeobachtung in den Blick. Wie schon in den vorangehenden Teilen der Trilogie gibt sich die Dokumentation als Beobachtung, die das Geschehen nicht kommentiert und nicht kontextualisiert. Gleichzeitig wird die Nähe der Beobachterin zum Gegenstand des Beobachtens sichtbar, die darauf basiert, dass die Regisseurin über die Jahre die Protagonisten und ihre Kinder kontinuierlich begleitet hat. Dies führt dazu, dass der Film gegenüber den Zuschauern einen impliziten, nicht transparent gemachten Wissensvorsprung hat. Über den sozialen Status der jeweiligen Familien erfährt man nur etwas, wenn man auf Sprache, Kleidung und Wohnungseinrichtungen achtet. Selten kommen auch die Väter oder das familiale Umfeld kurz vor der Kamera zu Wort.
Im Lauf von 14 Jahren
Die vier Protagonistinnen erzählen freiweg von ihren Wünschen und Hoffnungen, von Frustrationen, Enttäuschungen und Herausforderungen. Man hört von vielen Auseinandersetzungen, die geschildert, aber nicht gezeigt werden. Der erste Teil „Vierzehn“ konzentrierte sich noch deutlich auf das „Skandalon“ der ungewollten Schwangerschaft und die Probleme und Lernprozesse, die dazu führten, dass die Mädchen sich entschlossen, die Kinder auszutragen.
In „Achtzehn“ ging es dann um das Erwachsenwerden der jungen Mütter, um das Sorgerecht und den Alltag mit den Kindern bei gleichzeitigem Schulbesuch. Hier traten innerfamiliäre Konflikte ungleich schärfer in den Fokus; auch war es in der Zwischenzeit zu Umzügen und weiteren Schwangerschaften, aber auch zu Trennungen und Enttäuschungen gekommen. Mit der gerade erreichten Volljährigkeit wurde vieles noch unsicherer und offener. „Achtzehn“ überspielte manche Konflikte allerdings durch eine elegante Montage und eine sehr gewöhnungsbedürftige Filmmusik am Rande des Kitsches.
Jetzt, 10 Jahre später, haben sich die Schwerpunkte einmal mehr verschoben. Hier kommt ein weiteres Problem der Langzeitbeobachtung ins Spiel, das eigentlich nur zu lösen ist, wenn man die drei Filme zusammen hintereinander sieht. „Achtundzwanzig“ geht davon aus, dass durch die Montage älteren Materials der Film auch ohne Vorkenntnisse zu verstehen ist. Doch selbst wenn man die beiden Vorgängerfilme kennt, ist es sehr mühsam und teilweise verwirrend, die Personen, die nicht die Protagonistinnen sind, einzuordnen, zumal diese ja auch wechselnde Partner hatten, die aktuell vielleicht keine Rolle mehr spielen, aber vor zehn Jahren durchaus noch wichtig waren. Es ist also etwas unübersichtlich und damit Geduld gefordert.
Was hat sich getan?
Lisa lebt noch immer mit mehreren Kindern alleinerziehend auf Hawaii, hatte Erfahrungen mit häuslicher Gewalt und engagiert sich nun dagegen. Fabienne lebt ihren Traum von einer Großfamilie, hat mittlerweile vier Kinder und arbeitet als Tagesmutter, weil sie mit Kindern besser zurechtkommt als mit Erwachsenen. Sie hat ihre Traumhochzeit bekommen. Laura machte nach bestandenem Abitur einen Abschluss als Ingenieurin und arbeitet erfolgreich als Bauingenieurin. Sie hadert damit, nicht als Mann geboren worden zu sein, weil Frauen bestimmte Tätigkeit nicht zugetraut werden. Sie hat eine Eileiterschwangerschaft zu verarbeiten und äußert an einer Stelle recht unvermittelt gegenüber ihrem Partner einen Heiratswunsch, der gar nicht so recht zu ihr zu passen scheint. Auch Stefanie hat ein zweites Kind unmittelbar nach der Geburt verloren, anschließend eine Ausbildung zur Lagerlogistikerin abgeschlossen und dann gemerkt, dass sie lieber an der frischen Luft arbeitet. Aktuell jobbt sie in Teilzeit als Landschaftsgärtnerin.
Interessant ist, inwieweit sich die Kinder der Frauen, die jetzt so alt sind wie ihre Mütter waren, als sie schwanger wurden, sich an dem Filmprojekt beteiligen oder sich diesem entziehen. Zwei Jungen, Jason und Valentin, sind erstaunlich reflektiert, eloquent und empathisch, weshalb man sie für wesentlich älter halten könnte. Hat das mit dem durch die Umstände geforderten „Familiensinn“ zu tun? Stella Luna dagegen ist zwar durchaus präsent, scheint aber keine rechte Lust aufs Mitmachen zu haben.
In der Blase
So spannend dieses Projekt an einzelnen Stellen auch ist und so sympathisch die vier Protagonistinnen darin erscheinen, so hinterlässt die Trilogie doch ein Unbehagen, weil die behauptete Qualität der Kommentarlosigkeit nicht zu halten ist. Schon in „Vierzehn“ war davon die Rede, dass die filmische Beobachtung auch „Teil der Lösung“ sein und „Mut machen“ wolle. In „Achtundzwanzig“ gibt es jetzt längere Telefonate zwischen den Protagonistinnen, deren Gesprächsverläufe über Vorurteile, „Vollblutmamas“ und Karrieren von jungen Müttern fast schon „gescriptet“ erscheinen. Wenn Laura ihrem Partner gegenüber nachdrücklich ihren Heiratswunsch artikuliert, aber nicht so recht zu begründen weiß, warum, dann blickt sie einmal etwas hilflos direkt Richtung Kamera. Hier scheint eine Intention der Filmemacherin auf, die sich unausgesprochen durch das gesamte Projekt zieht. Ein unschöner Nebeneffekt besteht auch darin, dass den Frauen gewissermaßen keine politische Dimension als Zeitgenossinnen zugestanden wird. In der Zeitspanne zwischen 2012 und 2024 ist ja Einiges passiert, was auch junge Mütter beschäftigen könnte: Rechtsruck, Rassismus, Klimakrise. Doch nichts davon findet Einlass in diese sehr private Blase des Mutmachens und Kümmerns. Einzig Laura durchbricht an einer Stelle diese Haltung, wenn sie kurz reflektiert, dass die Situation zwar pragmatisch zu meistern ist, aber am Ende vielleicht die besten Jahre schon vorüber sind, wenn die Kinder das Haus verlassen haben.