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Filmkritik
Einen anderen auf den ersten Blick interessant finden und in ein authentisch wirkendes Gespräch verwickelt werden. Dabei kesse Sprüche und intensive Blicke tauschen. Im besten Fall bereits hinter die betörende Fassade blicken und direkt ansprechen, ob das Gegenüber nicht gerade eine Performance präsentiert. „Manchmal muss man eine Rolle spielen, um der Wahrheit näher zu kommen“, glauben die Protagonisten in „A Big Bold Beautiful Journey“.
Doch schon bevor sich David (Colin Farrell) und Sarah (Margot Robbie) auf einer Hochzeit kennenlernen, müssen sie erst den Weg dorthin finden. Der alleinstehende David hat Stress mit seinem Auto; sein altes Gefährt wird von einer Parkkralle blockiert. Verärgert landet er in einer dubiosen Autovermietung, wo ihm die Mitarbeiter kurzerhand einen schnittigen Wagen samt schlauem GPS-Gerät verpassen. Das Navi verrät ihm schon bald, dass er sich auf einer „großen, herausfordernden und wunderschönen Reise“ befindet. Zusammen mit Sarah, die er am Tag nach der Hochzeit bei einem Fast-Food-Laden aufliest, tritt er einen Roadtrip ins Unbekannte an. Von ihrem wundersamen Navigator erhalten sie Wegbeschreibungen, die sie zu Türen führen, welche sich in ihre Vergangenheit öffnen.
Wenn alte Türen wieder aufgehen
Kogonada, der US-Filmemacher mit südkoreanischer Abstammung, verfilmt nach „Columbus“ (2017) und „After Yang“ (2021) mit „A Big Bold Beautiful Journey“ seinen dritten Spielfilm. Seine Werke zeichnen sich durch eine verspielte Ästhetik, unkonventionelle Erzählweisen und die Sinnsuche der Protagonisten aus. Auch wenn er hier zum ersten Mal ein fremdes Drehbuch von Seth Reiss verfilmt, gleichen sich die Themen in seinem Oeuvre. So haben die beiden Protagonisten bislang noch nicht den rechten Platz im Leben gefunden. Gedanklich scheinen sie insbesondere aber mit der Liebe abgeschlossen zu haben. Als David seine Mitfahrerin fragt, warum eine Frau wie sie nicht in einer Beziehung lebe, antwortet Sarah direkt und ehrlich: „Weil ich immer fremdgehe.“
„A Big Bold Beautiful Journey“ wählt ein gängiges Konzept, um eine ausufernde Geschichte zu schildern. Die Türen stehen dabei für verschiedene Lebensstationen, durch die die Protagonisten retrospektiv in frühere Rollen schlüpfen können. Sie landen in Zeiten und an Orten, die für die Bildung ihres Charakters maßgeblich waren – oder alternative Lebensrealitäten andeuten. Das ähnelt stark Charles Dickens’ „Eine Weihnachtsgeschichte“, hier aber im farbenreichen Dating-Format. Statt wie Ebenezer Scrooge zur Nächstenliebe zu finden, müssen David und Sarah zu sich selbst finden, indem sie in ihre Vergangenheit zurückkehren.
Prächtig-markante Bilder
Kogonada hat eine Vorliebe für prächtig-markante Bilder. Er weiß ein grazil abgestimmtes Szenenbild für harmonische Einstellungen zu nutzen. Doch während „Columbus“ und „After Yang“ auch als Gesamtkonzepte funktionierten, wirkt diese Reise hier ausufernd und überladen. Der Weg ist dabei nicht ohne Charme und glänzt bisweilen mit prächtigen Einzelszenen; etwa wenn David als 15-Jähriger nochmals im Schultheater auftritt, um seiner Jugendliebe seine Gefühle zu gestehen.
Da aber durchweg ein skurriler Optimismus und ein ästhetisch orientiertes Tempo aufrechterhalten werden, gerät die Bindung der beiden Sinnsuchenden ins Hintertreffen. „Schön und seltsam“ empfinden Sarah und David ihre unverhoffte Reise. Ihre Erlebnisse stiften ein Band, doch die Chemie zwischen ihnen stimmt nicht. Immer wieder fragt man sich, was die beiden Charaktere überhaupt miteinander verbindet. Zwei normschöne Menschen, die sich in ihrer Welt nicht zurechtfinden und ihr Leben mit selbstironischen Plattitüden gegen echte Überraschungen abschotten. Obwohl die beiden Darsteller in ihren Rollen nicht ungalant agieren, können sie über die innere Leere der Figuren nicht hinwegtäuschen.
Vielleicht aber geht es ja auch gerade um diese Oberflächlichkeit. Immerhin werden die Charaktere von einer künstlichen Intelligenz regelrecht getrieben, diesen oder jenen Pfad zu erklimmen und sich mit dem Gegenüber zu beschäftigen. Die Schnelllebigkeit der Gesellschaft benötigt eventuell ein solch munteres Aufreißen von Türen. Doch man fragt sich, inwiefern das alles in irgendeiner Wirklichkeit verankert ist. Oder soll man zum Glück einfach gezwungen werden?
Tore, die verschlossen bleiben
Im Idealfall gehen bei einer echten Begegnung ein paar Türen auf, die für die meisten anderen verschlossen bleiben. Man erzählt über die erste Liebe, über Erfahrungen auf der High School oder prägende Schicksalsschläge. Man kann sich jedoch nicht sicher sein, ob die geschilderten Erfahrungen echt sind oder ob es sich nur um ein performatives Entblößen handelt. Nackt machen, um sich nackt gemacht zu haben. Danach fühlt man sich in der Regel noch leerer, so als hätte man den Ballast vergangener Tage nur verschoben.
„A Big Bold Beautiful Journey“ erinnert stark an Online-Dating-Kulturen, bei denen Oberflächen das zwischenmenschliche Miteinander bestimmen. Eine solche Symbiose aus Technikdeterminismus und Identitätsbestimmung funktionierte in „After Yang“ besser, wo in den ekstatischen Erinnerungen eines Androiden gekramt wird. Im kleineren Rahmen können oftmals größere Fragen gestellt werden. Hier aber, in „A Big Bold Beautiful Journey“, bleibt es ein visuell aufreizendes, opulent ausgestattetes Medienmärchen, das eher gemächlich durch einzelne Szenen führt, als in ihnen aufzugehen.